Brennpunkte Zwangsökologisierung, Biodiversität, Insektensterben

05 2019:

“Eine Pressekonferenz auf dem Acker macht öffentlich, was als “Programm Pestizidreduktion” vom Umweltschutzamt auf den Weg gebracht wurde: Ein Konzept, mit dem die Stadt den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln auf ihren landwirtschaftlich genutzten Flächen deutlich verringern will….” (BZ 20.5.2019 von Julia Littmann)

Aktiv dabei unsere Landwirte Erwin Wagner (Freie Wähler) und Martin Linser (CDU), die sich auch zur GR Wahl stellen.

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Im Juli 2018 forderte die Freiburger Fraktion Bündnis 90\ Die Grünen in einem Ergänzungsantrag eine zukünftige Verpachtung von städtischen landwirtschaftlichen Nutzflächen nur mehr an biologisch anerkannte Betriebe.

Wir Landwirte leben mit und von der Natur, wir sind “nahe dran am Geschehen” und spüren bereits seit langem (nicht nur seit diesem Hitzesommer mit extrem wenig Regen) die dramatischen Auswirkungen des Klimawandels. Wir wissen sehr wohl, dass wir Menschen nur MIT der Natur überleben können, nicht ohne sie.

Und trotzdem – wir sprechen uns gegen eine lokale Bio-Zwangsvorgabe aus. Um dies nachzuvollziehen, lesen Sie bitte hier auf unserer Webseite.

Auch das Interview welches die BZ, Frau Lutz (Mo, 20. August 2018 mit einem unserer Landwirte daraufhin führte trägt zur Erklärung bei.

Die Landwirtschaft die wir heute haben, ist das Ergebnis der Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte. Falsche Anreize der EU-Subventionen (Förderung riesiger Großbetriebe und Benachteiligung der kleinteiligen Landwirtschaft (die wir hier rund um Freiburg ja noch haben) und daraus folgend geringe finanzielle Ernteerlöse (resultierend aus dem Welthandel mit Getreide) tun ein Übriges.

Nicht wir Bauern bestimmen was der Markt verlangt, sondern der Markt verlangt und wir müssen (billig, denn der Handel bestimmt die Preise) produzieren. Die richtigen Anreize zur Bio-Umstellung müssten EU-weit kommen und länderübergreifende Sofortmaßnahmen bieten. Der Produzent sprich der Landwirt müsste endlich einen fairen Preis für seine Produkte bekommen. Momentan streicht nur der Handel große Margen ein, während die Bauern oft unter dem Herstellungspreis produzieren.

Wie lange geht das noch gut?

Ich glaube jeder Bauer würde sofort sein Vieh reduzieren,  wenn er auch mit der Hälfte an Fleisch- oder Milchproduktion ein gutes Einkommen hätte. Dasselbe gilt für den Ackerbau!

Wir haben hier in und rund um Freiburg noch kleine regionale bäuerliche Landwirtschaft, genau das was viele Menschen möchten. Nahezu 90 % aller Betriebe betreiben konventionelle Landwirtschaft und können sich bei den geringen Erlösen ihrer Erzeugnisse  keine schnelle Bio-Umstellung leisten.

Denn auch wenn man umstellen möchte: dies dauert Jahre und kostet dem Betrieb erstmal richtig Geld. Viele Landwirte können sich die Umstellung (noch niedrigere Einkünfte während der Umstellungszeit und geringere Flächen – für Bio benötigt man mindestens die doppelte Ackerfläche) und Investitionen in andere, dann nötige Maschinen und auch in Umschulung nicht leisten. Aufgrund des Klimawandels und zum Teil katastrophaler Ernten (Hitzesommer 2018), stehen wir jetzt schon vor einem finanziellen Desaster. Auch muss immer der gesamte Betrieb umgestellt werden, einzelne Äcker gehen nicht.

Wir regionale Landwirte betreiben bereits hier in und rund um Freiburg modernste Landwirtschaft mit vielen Alternativen zu chemischen Einsätzen, wie z.B. im Weinbau Einsaat von artenreicher Begrünung und Pheromone, Trichogramma gegen Maiszündler, Blühstreifen bei Gewässerrändern und Blumenwiesen bei Äckern, Anlegen von Lerchenfenstern in Mais und Weizen, pfluglose Bodenbearbeitung, sehr spezifisch eingesetzte Spritztechniken, Zwischenfrüchte, kleinteilige Felder statt Monokultur usw. Die optimale Pflanzenwahl in Kombination mit anbautechnischen Maßnahmen steht immer an erster Stelle, chemische Einsätze werden, nur wenn wirklich nötig, gefahren.

Derzeit werden ökologisch erzeugte Produkte wegen der niedrigen Lohnkosten (Bio bedeutet immer mehr Handarbeit!) noch deutlich billiger im Ausland erzeugt. Der Anteil biologisch wirtschaftender Betriebe in Freiburg kann nur behutsam, will man unsere letzten Freiburger Landwirte nicht ganz finanziell ruinieren, über Jahre hinweg erhöht werden. Denn auch der Absatzmarkt muss ja erst gefunden werden! Viele Vermarktungsbetriebe (z.B. die Schwarzwald Milch GmbH Freiburg Breisgau und viele Winzergenossenschaften) haben einen Aufnahmestopp für Bioprodukte. Der Marktanteil ist leider derzeit noch zu gering um größere Margen zu einem wirtschaftlichen Preis verkaufen zu können.

Hier sind wieder wir ALLE als Konsumenten gefragt!

Die Verbraucher müssen mitmachen, denn was nützt uns Landwirten eine großflächige teure Bio-Umstellung wenn der Konsument weiterhin den konventionell erzeugten Produkten den Vorrang gibt? Wir Landwirte müssen von unseren Produkten ja leben (es gibt keine Sozialversicherung und Arbeitslosengeld für Landwirte) und leider sind die meisten Menschen nach wie vor nicht bereit, mehr Geld für biologisch erzeugte Waren auszugeben. Billig ist die Devise, leider auch bei Nahrungsmittel! Wir Landwirte müssen produzieren was der Markt wünscht und große Mengen in Bioqualität zu einem wirtschaftlich ausreichenden Preis abzusetzen ist derzeit leider noch unrealistisch.
Oder gehen SIE nicht auch oft zum Bäcker nebenan und holen sich dort ihr tägliches  Brezel oder Brötchen? Das Getreide dafür pflanzen WIR hier an!!

PS: Und bitte bei der ganzen Diskussion ob Bio oder Konventionell, eines nicht vergessen: aus jedem Acker kann jederzeit ein Bio-Acker werden aber aus einem einmal versiegelten Boden nie wieder ein Acker!

Oft wird beim Thema Insektensterben hier pauschal die Landwirtschaft als Erstschuldner auserkoren. Diese generelle  Schuldzuweisung ist aber bei genauer fundierter Betrachtung nicht angemessen.

Herr Peter Rosenkranz, anerkannter Forscher zum Thema Bienensterben, schreibt etwa hierzu:

BZ vom 15.02.2018, „Die Honigbiene wird zu einem Symbol

…. „aber nur die Landwirtschaft für das Insektensterben verantwortlich zu machen, greift mir zu kurz. Das ist nur ein Punkt unter vielen. Es gab auch vor 30 Jahren starken Pestizideinsatz und trotzdem hohe Biodiversität. Wir haben alle dazu beigetragen, dass die Insekten so dramatisch unter Druck geraten. Es liegt vor allem am Flächenverbrauch für mehr Wohnraum, Großbauprojekte, Gewerbegebiete. Den Insekten fehlen Futter und Lebensraum. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind etwa 80 Prozent aller Streuobstwiesen verschwunden. Auch der Autoverkehr und die Luftverschmutzung tragen dazu bei.“

Weitere Faktoren für das Insektensterben sind auch ständige Lichtbeeinflussung und starke Reduktion von Blühpflanzen in unseren Gärten (von Steinen und Buschgras lebt kein Insekt).

Trotz allem – bei uns summt und brummt es nach wie vor! Laut dem Biologen Herrn Reinhold Treiber gibt es in der Regio Freiburg/ Hochschwarzwald nach wie vor eine sehr große Artenvielfalt an Wildbienen, die es nach seinen Aussagen so an keiner anderen Stelle in Deutschland mehr gibt.

Es ist ein sehr komplexes Thema und wir Landwirte geben unser Bestes, noch mehr Grundnahrung für Insekten zu schaffen.

Aber auch hier, ALLE Bürger sind gefragt, mitzuhelfen.

Mit Blütenpflanzen statt Grillecken und Beton im Kleingarten, mit begrünten Vorgärten und Balkonpflanzen. Und unsere Politiker müssen wieder erkennen wie wichtig Grünflächen für eine Stadt sind!

Ein interessanter Mitschnitt zum Thema Bio-Landwirtschaft versus konventioneller Anbau findet sich hier.